Warum der Unternehmenskauf im eCommerce an Relevanz gewinnt
Ein Unternehmenskauf ist eine bewährte Wachstumsstrategie – und im eCommerce-Sektor aktueller denn je. Während sich viele Branchen konjunkturbedingt konsolidieren, bietet der Onlinehandel nach wie vor attraktive Skalierungsmöglichkeiten. In diesem Umfeld wird der gezielte Erwerb profitabler eCommerce- und Digitalunternehmen für Investoren, Strategen und ambitionierte Unternehmer zu einer zunehmend realistischen Option.
Doch: Ein Unternehmenskauf im eCommerce unterscheidet sich deutlich vom klassischen M&A im Industrie- oder Dienstleistungssektor. Digitale Geschäftsmodelle sind dynamisch, datengetrieben und stark von Plattformen, Prozessen und Personen abhängig. Käufer müssen nicht nur den Preis beurteilen, sondern den strategischen Fit, die Skalierbarkeit und die Integrationsfähigkeit des Zielunternehmens realistisch einschätzen können.
Ob als Family Office, Private-Equity-Investor oder als Unternehmen mit Buy-and-Build-Strategie – wer heute erfolgreich in eCommerce-Unternehmen investiert, benötigt eine klare Positionierung, finanzielle Substanz und fundiertes Verständnis für digitale Geschäftsmodelle. Dieser Beitrag zeigt, welche Voraussetzungen Käufer mitbringen sollten, wie eine professionelle Vorbereitung aussieht und worauf es im gesamten Transaktionsprozess wirklich ankommt.
Ziel ist es, potenziellen Käufern – vom erfahrenen M&A-Experten bis zum strategisch motivierten Unternehmer – konkrete Leitplanken, praxisnahe Tipps und fundierte Informationen an die Hand zu geben, um fundierte Kaufentscheidungen treffen zu können.
Der eCommerce-Markt im DACH-Raum: Chancen für Käufer
Der digitale Handel im deutschsprachigen Raum hat sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt – nicht nur durch pandemiebedingte Schubkräfte, sondern auch durch technologische Reife, optimierte Logistikketten und ein verändertes Konsumentenverhalten. Heute ist der eCommerce-Markt in der DACH-Region nicht nur groß, sondern auch zunehmend professionalisiert – und damit ein ideales Jagdrevier für strategische Käufer und Investoren auf der Suche nach profitablen Unternehmenskäufen.
Mit Blick auf die Unternehmenslandschaft zeigt sich ein heterogenes Bild: Neben etablierten Mittelständlern existiert eine Vielzahl an profitablen Nischenanbietern, hochspezialisierten D2C-Brands und Plattform-basierten Geschäftsmodellen wie Amazon-FBA. Diese Unternehmen zeichnen sich oft durch schlanke Strukturen, hohe Wachstumsraten und starke Kundenbindung aus – ideale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Übernahme und Weiterentwicklung.
Für Käufer ergeben sich daraus mehrere strategische Chancen:
- Marktzugang und Kundenbasis: Der Erwerb eines etablierten Onlinehändlers oder digitalen Dienstleisters verschafft unmittelbaren Zugang zu bestehenden Kundenbeziehungen, Reviews, Traffic und Rankings – Assets, die sich organisch nur langsam aufbauen lassen.
- Prozess- und Technologievorsprung: Viele eCommerce-Unternehmen verfügen über ausgeklügelte Tech-Stacks, automatisierte Fulfillment-Prozesse oder proprietäre Marketingstrategien. Wer diese effizient integriert, kann Synergiepotenziale heben und die Skalierbarkeit deutlich erhöhen.
- Konsolidierung als strategisches Momentum: Der DACH-Markt ist trotz hoher Markteintritte fragmentiert. Buy-and-Build-Ansätze, bei denen mehrere kleinere Anbieter zu einer schlagkräftigen Gruppe konsolidiert werden, eröffnen attraktive Multiplikator-Effekte – insbesondere bei standardisierten Produktkategorien.
Dennoch gilt: Nicht jedes attraktive eCommerce-Unternehmen ist automatisch ein gutes Investment. Der Markt ist in Bewegung, und nachhaltiger Erfolg hängt von einer präzisen Bewertung, einem klaren strategischen Fit und der Fähigkeit zur Integration ab. Wer diese Faktoren berücksichtigt, kann im richtigen Moment signifikanten Mehrwert schaffen – sowohl finanziell als auch operativ.
Typische Käuferprofile im digitalen M&A-Umfeld
Der Markt für digitale Unternehmenskäufe ist vielfältig – und das zeigt sich nicht nur auf Verkäuferseite. Auch Käufer verfolgen sehr unterschiedliche Zielsetzungen, Strategien und Zeithorizonte. Wer als Käufer in eCommerce- oder Digitalunternehmen investieren möchte, sollte sich zunächst darüber klar werden, welcher Typ Käufer er ist – oder sein möchte. Denn das beeinflusst nicht nur die Art der Zielunternehmen, sondern auch Finanzierung, Bewertung und Verhandlungsführung.
Strategische Käufer vs. Finanzinvestoren
Strategische Käufer sind meist operative Unternehmen, die ihr bestehendes Geschäftsmodell durch Zukäufe erweitern wollen. Ihr Interesse gilt Synergien – sei es durch Portfolioerweiterung, Zugang zu neuen Märkten oder technologischen Ergänzungen. Für sie ist der Kauf eines Unternehmens ein Mittel zur langfristigen Stärkung der eigenen Marktposition. Strategische Käufer sind oft bereit, einen höheren Preis zu zahlen, wenn der Target-Business-Case langfristige Synergien oder Wettbewerbsvorteile verspricht.
Finanzinvestoren – etwa Private-Equity-Gesellschaften, Beteiligungsgesellschaften oder spezialisierte Investmentvehikel – agieren renditeorientiert. Ihr Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen, einer starken finanziellen Performance und klaren Exit-Perspektiven. Im eCommerce-Umfeld suchen sie typischerweise nach Targets mit stabilen Umsätzen, EBITDAMargen, Automatisierungspotenzial und einer gewissen Unabhängigkeit vom Gründer. Wertsteigerungspotenziale sollen möglichst kurzfristig gehoben werden – etwa durch Optimierung, Internationalisierung oder technologische Aufrüstung.
Family Offices, MBI/MBO
Family Offices investieren das Vermögen vermögender Unternehmerfamilien und verfolgen meist eine langfristige, weniger exit-orientierte Strategie. Im Gegensatz zu klassischen Finanzinvestoren spielen Nachhaltigkeit, Werteorientierung und strategischer Fit hier eine größere Rolle. Für viele Verkäufer sind Family Offices daher besonders attraktive Käufer – insbesondere bei sensiblen Nachfolgeregelungen oder bei Unternehmen mit starker Unternehmenskultur.
MBI (Management-Buy-In) und MBO (Management-Buy-Out) sind zwei weitere Käuferkonzepte, bei denen einzelne Personen oder Managementteams als Käufer auftreten – oft mit Unterstützung von Investoren oder Banken.
- Beim MBI übernimmt ein externes Team das Unternehmen. Das bietet Chancen für frischen Wind, birgt aber Integrationsrisiken.
- Beim MBO übernimmt das bestehende Management. Diese Lösung ist besonders stabil, da die Käufer das Unternehmen bereits gut kennen – häufig ideal bei Nachfolgeregelungen im Mittelstand.
Für Verkäufer ist das Käuferprofil essenziell für den Transaktionsverlauf – für Käufer jedoch ebenso: Nur wer sein eigenes Profil kennt, kann gezielt geeignete Targets ansprechen, die passende Finanzierung strukturieren und realistische Synergien heben.
Voraussetzungen für einen erfolgreichen Unternehmenskauf
Ein erfolgreicher Unternehmenskauf beginnt lange vor der eigentlichen Transaktion. Wer ein eCommerce- oder Digitalunternehmen erwerben möchte, muss sich intensiv mit den finanziellen, rechtlichen und strategischen Grundlagen auseinandersetzen – und idealerweise bereits im Vorfeld strukturiert vorbereiten. Insbesondere im kompetitiven eCommerce-Markt entscheidet die Qualität der Käuferseite darüber, ob man Zugang zu attraktiven Targets erhält – und am Ende den Zuschlag bekommt.
Bonität und Kapitalstruktur beim Unternehmenskauf
Eine der zentralen Voraussetzungen für Käufer ist eine nachweislich solide Bonität. Verkäufer – und deren Berater – prüfen zunehmend kritisch, ob der Interessent in der Lage ist, die Transaktion zu finanzieren, insbesondere bei höheren Kaufpreisen. Bonitätsnachweise, Eigenkapitalnachweise oder indikative Finanzierungszusagen sind heute oft Teil des Auswahlprozesses im Rahmen der Käuferqualifikation.
Darüber hinaus spielt die Kapitalstruktur eine zentrale Rolle: Wer den Kauf über hohe Fremdfinanzierungen abbildet, muss deren Rückzahlbarkeit plausibel belegen – insbesondere im Hinblick auf die Ertragslage des Zielunternehmens. Je nach Dealgröße und Geschäftsmodell empfehlen sich Eigenkapitalquoten von mindestens 20–30 %. Höhere Eigenmittel schaffen Vertrauen und senken das Risiko aus Sicht des Verkäufers.
Eigenkapitalanforderungen und Fremdfinanzierung
Während kleinere Transaktionen (z. B. im Bereich bis 500.000 € Kaufpreis) häufig vollständig aus Eigenmitteln gestemmt werden, sind bei größeren Deals strukturierte Finanzierungen üblich. Hierzu zählen etwa:
- Bankdarlehen mit Besicherung durch das Zielunternehmen (z. B. Cashflows oder Lagerbestände)
- Verkäuferdarlehen, die einen Teil des Kaufpreises in Raten stunden
- Earn-Out-Komponenten, die an die zukünftige Performance geknüpft sind
Je professioneller die Finanzierung strukturiert ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, als ernsthafter Käufer wahrgenommen zu werden. Daher empfiehlt sich frühzeitig die Zusammenarbeit mit Finanzierungspartnern, Banken oder M&A-Beratern, die bei der Modellierung und Umsetzung unterstützen können.
Vorbereitung der kaufenden Partei: Due Diligence aus Käufersicht
Nicht nur Verkäufer bereiten sich auf den Deal vor – auch Käufer müssen intern Prozesse aufsetzen, Verantwortlichkeiten klären und die Due Diligence professionell angehen. Eine gründliche Prüfung des Zielunternehmens umfasst heute nicht nur die klassischen finanziellen Kennzahlen, sondern auch operative, technische und rechtliche Aspekte.
Wichtig ist: Die Due Diligence beginnt nicht erst nach dem LOI, sondern idealerweise schon im Vorfeld – z. B. durch ein klares Prüfraster, Checklisten und erste Analysen öffentlich zugänglicher Informationen. Wer vorbereitet in Gespräche geht, stellt bessere Fragen, erkennt Risiken früher und kann sich gezielter positionieren.
Professionelle Käufer setzen deshalb auf strukturierte Abläufe, ein belastbares Deal-Team und gegebenenfalls externe Experten. Denn eine gute Vorbereitung ist nicht nur ein Wettbewerbsvorteil – sie schützt auch vor teuren Fehlentscheidungen.
Finanzierungsmodelle beim Unternehmenskauf
Die Wahl der passenden Finanzierungsstruktur ist ein zentraler Erfolgsfaktor bei jedem Unternehmenskauf – insbesondere im dynamischen und oft kapitalintensiven eCommerce-Umfeld. Denn nicht nur die Zahlungsfähigkeit muss gesichert sein, auch das Vertrauen der Verkäuferseite hängt maßgeblich davon ab, wie solide und nachvollziehbar die Finanzierung aufgestellt ist.
Eigenkapital: Die stabilste Grundlage für Transaktionen
Im aktuellen Marktumfeld – insbesondere in Zeiten erhöhter Zinsniveaus und zurückhaltender Kreditvergabe – ist Eigenkapital die stärkste Währung beim Unternehmenskauf. Käufer, die signifikantes Eigenkapital einbringen können, gelten als zuverlässig, professionell und finanzstark – drei Eigenschaften, die für Verkäufer entscheidend sind.
Eine Eigenkapitalquote von mindestens 20–30 % (besser: mehr) ist in vielen Fällen die Voraussetzung, um ernsthaft an einem Deal teilnehmen zu können. Wer über ausreichend eigene Mittel verfügt, kann schneller agieren, hat bessere Karten bei Preisverhandlungen und erhöht die Chance, überhaupt in die engere Käuferauswahl zu gelangen.
Bankenfinanzierung: Möglich, aber nicht selbstverständlich
Zwar gehört die klassische Fremdfinanzierung durch Banken oder Kreditinstitute weiterhin zum Instrumentenkasten vieler Käufer – doch im eCommerce-Bereich ist sie zunehmend schwierig zu realisieren. Viele Banken bewerten Onlinehandels- oder D2C-Modelle aktuell als volatil und risikobehaftet. Besonders bei kleineren oder rein digitalen Unternehmen ohne physische Assets fehlt oft die übliche Besicherungsgrundlage.
Wer dennoch auf bankfinanzierte Anteile setzt, muss mit hohen Anforderungen an Transparenz, Cashflow-Prognosen und Businesspläne rechnen – und sollte bereits in der frühen Deal-Phase Gespräche mit geeigneten Finanzierungspartnern führen. Auch alternative Finanzierer wie Fintechs oder spezialisierte Investoren können Optionen bieten, verlangen jedoch ebenfalls ein überzeugendes Setup.
Earn-Outs, Verkäuferdarlehen und alternative Finanzierungen
Zusätzlich zur klassischen Finanzierung können komplementäre Instrumente wie Earn-Outs oder Verkäuferdarlehen genutzt werden – aber mit Augenmaß.
- Earn-Outs sind erfolgsabhängige Kaufpreisbestandteile, die an die künftige Entwicklung bestimmter KPIs (z. B. Umsatz oder EBITDA) geknüpft sind. Sie eignen sich, um Bewertungsdifferenzen zu überbrücken, sollten aber nicht die dominierende Komponente sein. Verkäufer empfinden Earn-Outs oft als unsicher und schwer kontrollierbar. Eine zu hohe Gewichtung (z. B. >30 % des Kaufpreises) wirkt daher abschreckend.
- Verkäuferdarlehen (sogenannte Vendor Loans) können ein sinnvolles Mittel sein, um Eigenkapitallücken zu schließen – etwa für einen kleinen Teil des Kaufpreises. Doch auch hier gilt: Ein vollständiger Deal auf Basis eines Verkäuferdarlehens signalisiert fehlende Bonität und kann das Vertrauen untergraben. Verkäufer akzeptieren solche Modelle nur, wenn sie in eine solide Gesamtkonzeption eingebettet sind.
Darüber hinaus kommen je nach Käuferprofil alternative Finanzierungsformen in Betracht – etwa durch Beteiligungskapital von Co-Investoren, strukturierte Fonds oder sogar Mezzanine-Finanzierungen. Diese erfordern jedoch einen höheren Aufwand und eine klar definierte Strategie.
Erfolgreiche Käufer setzen auf eine ausgewogene Finanzierungsmischung, bei der Eigenkapital, klassische Fremdfinanzierung und ergänzende Elemente wie Earn-Outs in einem glaubwürdigen und belastbaren Verhältnis stehen. Eine solche Struktur schafft nicht nur Vertrauen auf Verkäuferseite, sondern erhöht auch die Transaktionssicherheit und Verhandlungsstärke.
Bewertung von Zielunternehmen: Worauf Käufer beim Unternehmenskauf achten sollten
Die Bewertung eines eCommerce-Unternehmens ist einer der kritischsten Punkte im gesamten Kaufprozess. Für Käufer geht es nicht nur darum, einen fairen Preis zu zahlen – sondern darum, den wirtschaftlichen Wert und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens realistisch einzuschätzen. Dabei spielen neben reinen Zahlen auch qualitative Faktoren eine zentrale Rolle: Geschäftsmodell, Marktposition, Skalierungspotenzial und operative Effizienz.
EBITDA, SDE und Multiplikatoren
Im eCommerce-Markt haben sich mehrere Bewertungsmethoden etabliert, wobei die Wahl stets vom Geschäftsmodell, der Unternehmensgröße und der Zielsetzung des Käufers abhängt:
- EBITDA-Multiplikator: Die am häufigsten verwendete Methode bei profitablen und etablierten Unternehmen. Sie basiert auf dem bereinigten operativen Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA). Der Multiplikator variiert je nach Branche, Risiko und Skalierbarkeit – typische Bandbreiten liegen zwischen 3x und 6x, können aber bei strategischem Fit oder starkem Wachstum auch darüber liegen.
- SDE (Seller’s Discretionary Earnings): Vor allem bei kleineren, inhabergeführten Unternehmen üblich. Hier wird der Gewinn um persönliche Entnahmen, Einmalaufwendungen oder nicht betriebsnotwendige Ausgaben bereinigt. Diese Methode eignet sich besonders, wenn der Käufer operative Aufgaben übernehmen will.
- Umsatz-Multiplikatoren kommen vor allem dann zum Einsatz, wenn das Unternehmen (noch) nicht profitabel ist, aber starkes Wachstum zeigt – etwa bei D2C-Marken oder SaaS-Modellen. Diese Methode ist riskanter und sollte nur angewandt werden, wenn verlässliche Wachstumsprognosen vorliegen.
Für Käufer ist entscheidend, dass Multiplikatoren allein nie die ganze Wahrheit erzählen. Sie müssen in Relation zur Wachstumsdynamik, zur Cashflow-Qualität und zur Wettbewerbsposition gesetzt werden. Zudem ist eine saubere Bereinigung der Kennzahlen unerlässlich – insbesondere bei kapitalintensiven Modellen, Plattformabhängigkeit oder stark saisonalem Geschäft.
Wichtige Due-Diligence-Bereiche für Käufer
Die Due Diligence ist das Rückgrat jeder professionellen Unternehmensübernahme – insbesondere im digitalen Raum. Sie dient nicht nur der Risikoanalyse, sondern ist auch Grundlage für die finale Preisverhandlung, Vertragsgestaltung und Post-Deal-Integration. Für Käufer im eCommerce bedeutet das: Wer ein Unternehmen übernehmen will, muss es in allen wesentlichen Dimensionen verstehen, bewerten und hinterfragen – strukturiert, tiefgehend und datenbasiert.
Finanzielle Analyse beim Unternehmenskauf
Der wichtigste Teil jeder Due Diligence ist die finanzielle Prüfung. Sie umfasst:
- Historische GuV-Analysen (idealerweise auf Monatsbasis) zur Erkennung von Saisonalitäten und Trends
- Bereinigung des EBITDA um Einmaleffekte, nicht betriebsnotwendige Aufwendungen und gesellschafterbezogene Kosten
- Analyse der Deckungsbeiträge, Margenentwicklung und Retourenquoten
- Liquiditätssituation und Working Capital-Struktur
- Prüfung von Forderungen, Verbindlichkeiten und steuerlichen Risiken
Im eCommerce besonders wichtig: die Verlässlichkeit der Lagerbewertung, da Warenbestände oft einen erheblichen Teil des Unternehmenswertes ausmachen. Käufer sollten auf realistische Abwertungen, Umschlagsgeschwindigkeit und Bewertungsmethoden achten.
Operative Prozesse und Skalierbarkeit
Digitale Geschäftsmodelle leben von effizienten Prozessen. Deshalb sollte die operative Due Diligence folgende Fragen beantworten:
- Wie sind Logistik, Fulfillment und Retourenabwicklung organisiert?
- Gibt es Abhängigkeiten von Plattformen, Dienstleistern oder Einzelpersonen?
- Wie hoch ist der Automatisierungsgrad im Tagesgeschäft (ERP, Warenwirtschaft, Zahlungsabwicklung etc.)?
- Sind die Marketing- und Vertriebsprozesse skalierbar – z. B. durch klare CAC/CLV-Kennzahlen, funktionierende Performance-Marketing-Kanäle und organische Wachstumsquellen?
Ein oft unterschätzter Punkt: die IT-Infrastruktur. Veraltete Systeme, manuelle Prozesse oder unstrukturierte Datenhaltung können den Integrationsaufwand erheblich steigern – und damit den tatsächlichen Wert des Unternehmens reduzieren.
Rechtliche Risiken und Verträge
Auch im digitalen Raum gelten klassische rechtliche Prüfpfade – ergänzt um spezifische Besonderheiten. Im Fokus stehen:
- Gesellschaftsrechtliche Struktur (inkl. Beteiligungen, IP-Rechte, Gesellschafterverträge)
- Vertragslage mit Lieferanten, Dienstleistern und Kunden – insbesondere Laufzeiten, Kündigungsfristen und Sonderklauseln
- Markenrechte, Domains und Lizenzen
- Datenschutz (DSGVO-Konformität) – besonders bei größeren CRM-Datenbanken oder sensiblen Kundendaten
- Rechtliche Risiken im Bereich Plattformabhängigkeit (z. B. Nutzungsbedingungen von Amazon oder Shopify)
Ein professioneller rechtlicher Due-Diligence-Prozess sollte stets durch spezialisierte Anwälte begleitet werden – idealerweise mit Digital- und Transaktionserfahrung. Die Qualität der Due Diligence entscheidet oft über den Erfolg des gesamten Kaufs. Wer hier oberflächlich agiert, riskiert böse Überraschungen – wer hingegen strukturiert, kompetent und strategisch prüft, sichert sich nicht nur bessere Verhandlungspositionen, sondern auch langfristigen Investitionserfolg.
Red Flags erkennen: Worauf Käufer beim Unternehmenskauf besonders achten sollten
So wichtig Chancenbewertung und Wachstumspotenzial auch sind – mindestens genauso essenziell ist das frühzeitige Erkennen von Risiken. Denn nicht jedes profitabel wirkende eCommerce-Unternehmen ist automatisch ein gutes Investment. Käufer sollten im Rahmen der Analyse systematisch nach „Red Flags“ suchen, also Warnsignalen, die auf strukturelle Schwächen, nicht nachhaltige Geschäftsmodelle oder operative Probleme hindeuten.
Umsatzkonzentration auf wenige Produkte oder Plattformen
Ein weit verbreitetes Risiko in der eCommerce-Welt ist die Abhängigkeit von einzelnen Umsatztreibern – sei es ein einzelnes Produkt, ein Bestseller-SKU oder eine dominante Plattform wie Amazon.
Beispiel: Ein Unternehmen generiert 80 % seines Umsatzes mit einem einzigen Produkt auf Amazon. Das mag kurzfristig lukrativ erscheinen, stellt jedoch ein erhebliches Risiko dar, falls sich Verkaufsbedingungen, Rankings oder Plattformrichtlinien ändern. Auch Klonprodukte oder neue Wettbewerber können solche Abhängigkeiten schnell gefährlich werden lassen.
Käufer sollten daher genau prüfen:
- Wie ist das Sortiment strukturiert – ist es diversifiziert?
- Welche Plattformen generieren welchen Umsatzanteil?
- Wie nachhaltig sind die Rankings oder Bestseller-Positionen?
- Gibt es bereits Pläne zur Diversifikation (z. B. eigener Webshop, neue Produktlinien)?
Abhängigkeit vom Gründer oder Schlüsselpersonen
Viele eCommerce-Unternehmen sind stark durch den Gründer oder ein kleines Team geprägt. Wenn essenzielle Geschäftsprozesse, Lieferantenbeziehungen oder Kundenkontakte nicht dokumentiert und übertragbar sind, entsteht beim Verkauf ein erhebliches Übergaberisiko.
Wichtige Fragen:
- Ist das Know-how im Unternehmen institutionalisiert oder nur im Kopf des Gründers?
- Gibt es dokumentierte Prozesse, SOPs, Ansprechpartnerlisten und Systemzugänge?
- Wie viele zentrale Rollen hängen personell am Inhaber?
Eine hohe Gründerabhängigkeit kann den Integrationsaufwand deutlich erhöhen – oder im schlimmsten Fall zu einem Abbruch des laufenden Betriebs nach der Übergabe führen.
Intransparente Buchhaltung oder fehlende KPIs
Eine unstrukturierte oder nicht nachvollziehbare Buchhaltung ist ein klares Warnsignal. Besonders kritisch: Wenn Umsätze und Gewinne nicht sauber getrennt sind, verschiedene Geschäftsbereiche vermischt werden oder essenzielle KPIs fehlen (z. B. Deckungsbeiträge, Retourenquoten, Kundengewinnungskosten).
Weitere Warnzeichen:
- Keine konsistente GuV oder Bilanz über mehrere Jahre
- Unplausible Zahlen (z. B. extrem niedrige Marketingkosten bei starkem Wachstum)
- Fehlende Tracking-Setups (z. B. keine Daten zu CLV, CAC, Conversion Rates)
Hier gilt: Transparenz ist Vertrauen. Je intransparenter die Finanzdaten sind, desto höher das Risiko – und desto niedriger sollte der Kaufpreisansatz ausfallen.
Red Flags sind nicht zwingend Deal-Breaker – aber sie sollten ernst genommen werden. Wer sie frühzeitig erkennt, kann Risiken einpreisen, Absicherungen verhandeln oder sich im Zweifel gegen einen Kauf entscheiden. Ein geschultes Auge für Schwachstellen ist daher ein entscheidender Vorteil auf Käuferseite.
Verhandlungsstrategie für Käufer: Wert vs. Preis
Der Kaufpreis ist häufig das sichtbarste, aber nicht unbedingt das wichtigste Element einer Transaktion. Viel entscheidender ist die Frage nach dem realen Wert, den ein Unternehmen dem Käufer langfristig bringt. Erfolgreiche Käufer wissen: Preis ist, was man zahlt – Wert ist, was man bekommt.
Gerade im digitalen M&A-Umfeld, wo Synergien, Wachstumspotenziale und Effizienzgewinne große Hebel darstellen können, kommt es darauf an, den Deal strategisch zu denken – und dies in der Verhandlungsführung klar zu kommunizieren.
Marktpreisgerechtigkeit und Bewertungsbandbreiten
Jeder Verkäufer hat eine Preisvorstellung – meist basierend auf Umsatz, EBITDA oder einem Bewertungs-Tool. Für Käufer ist es wichtig, diese Vorstellungen einzuordnen und zu objektivieren. Das gelingt, indem man:
- Marktübliche Multiplikatoren mit realen Transaktionen im eCommerce vergleicht
- Bandbreiten statt Fixpreise diskutiert – etwa auf Basis unterschiedlicher Szenarien (z. B. mit oder ohne bestimmte Wachstumserwartungen)
- Frühzeitig klare Bewertungslogiken kommuniziert, z. B. durch eigene Modelle und nachvollziehbare Argumentation
Wichtig: Verhandlungen auf Augenhöhe bedeuten nicht, alles zu akzeptieren – sondern nachvollziehbar aufzuzeigen, wo Preis und Wert voneinander abweichen, und dies mit belastbaren Daten zu untermauern.
Synergien und strategischer Fit
Ein entscheidender Hebel bei der Bewertung liegt in den Synergiepotenzialen: Kann der Käufer durch bestehende Ressourcen (z. B. Vertrieb, IT, Einkauf) Kosten senken oder Wachstum beschleunigen?
Klassische Synergieeffekte im eCommerce-Umfeld:
- Cross-Selling über bestehende Kundendatenbanken
- Bündelung von Einkauf und Logistik
- Nutzung bestehender Marketingkanäle und Agenturstrukturen
- Technologische Integration in bestehende IT-Umgebung
Je besser ein Käufer die strategischen Synergien quantifizieren kann, desto plausibler lassen sich höhere Bewertungen oder ergänzende Investitionen rechtfertigen – und gleichzeitig kritisch prüfen, ob der Zielkauf zur eigenen Unternehmensstrategie passt.
Die beste Verhandlungsstrategie basiert auf Fakten, Klarheit und Fairness. Wer als Käufer gut vorbereitet ist, das Unternehmen versteht und den Wert differenziert argumentieren kann, erreicht nicht nur bessere Preise – sondern auch bessere Deals. Denn am Ende geht es nicht um den niedrigsten Preis, sondern um die beste Transaktion mit nachhaltigem Mehrwert.
Post-Deal-Phase: Erfolgreiche Integration und Übergabe nach Unternehmenskauf
Der Unternehmenskauf endet nicht mit der Unterschrift unter dem Kaufvertrag. Im Gegenteil: Erst die Phase nach dem Closing entscheidet darüber, ob die Investition ihren geplanten Wert realisiert. Käufer, die diesen Abschnitt strategisch und operativ gut vorbereiten, sichern sich nicht nur einen reibungslosen Übergang, sondern legen auch den Grundstein für nachhaltiges Wachstum.
Integrationsstrategie und Change-Management
Die Integration eines übernommenen eCommerce-Unternehmens ist kein Selbstläufer. Auch wenn Prozesse digitalisiert und Systeme skalierbar sind – jede Organisation hat ihre eigene Kultur, Dynamik und Historie. Eine klare Integrationsstrategie ist daher essenziell.
Zentrale Fragen, die Käufer im Vorfeld klären sollten:
- Wie weit soll integriert werden? (z. B. vollständige Eingliederung in bestehende Strukturen vs. unabhängige Fortführung als Tochtergesellschaft)
- Welche Systeme und Prozesse werden übernommen, ersetzt oder vereinheitlicht?
- Wie werden Teams geführt, zusammengeführt oder neu strukturiert?
- Welche KPIs definieren den Integrationserfolg?
Darüber hinaus ist Change-Management ein kritischer Erfolgsfaktor – insbesondere, wenn Mitarbeitende, Lieferanten oder Kunden vom Eigentümerwechsel erfahren. Wer hier transparent kommuniziert, Vertrauen schafft und stabile Prozesse sicherstellt, vermeidet Unsicherheit und schützt die operativen Ergebnisse.
Verbleib des Gründers und Übergangsregelungen
In vielen Fällen ist der Wissenstransfer vom Gründer entscheidend für eine erfolgreiche Übergabe. Käufer sollten deshalb bereits vor dem Closing klären, wie lange der Gründer oder das Führungsteam nach der Transaktion zur Verfügung steht – sei es in beratender Funktion, operativ unterstützend oder als stiller Teilhaber.
Typische Übergangsmodelle:
- Beratungsvertrag für 3–12 Monate, häufig gestaffelt oder erfolgsabhängig vergütet
- Earn-Out-Phasen, in denen der Gründer am weiteren Erfolg beteiligt ist
- Schrittweise Übergabe, z. B. durch Übergabe-Workshops, SOP-Dokumentation oder gemeinsame Managementmeetings
Besonders wichtig: Klare Kommunikation über Rollen, Verantwortlichkeiten und Zeithorizonte. Ein offener, respektvoller Umgang auf Augenhöhe erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Übergang konstruktiv und produktiv verläuft.
Allgemein gilt: Der Unternehmenskauf ist erst dann erfolgreich, wenn das übernommene Unternehmen auch unter neuer Führung weiter funktioniert – oder besser: wächst. Käufer sollten daher nicht nur die Transaktion planen, sondern auch die Post-Deal-Phase strukturiert vorbereiten. Das erfordert Zeit, Ressourcen und Führungsstärke – zahlt sich jedoch langfristig in Form von operativer Stabilität und nachhaltigem Wertzuwachs aus.
Fazit: Die richtige Vorbereitung ist der Schlüssel zum erfolgreichen Unternehmenskauf
Ein Unternehmenskauf im eCommerce ist kein reiner Finanzakt, sondern eine vielschichtige, strategische Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen. Gerade im dynamischen digitalen Umfeld, in dem sich Geschäftsmodelle schnell verändern können, ist es essenziell, nicht nur den richtigen Deal, sondern auch die richtigen Voraussetzungen und Strukturen auf Käuferseite zu schaffen.
Wer einen erfolgreichen Unternehmenskauf sicherstellen will, muss vorbereitet sein – mit Kapital, klarer Strategie und den richtigen Experten an seiner Seite. Das beginnt bei einer realistischen Selbsteinschätzung: Welches Käuferprofil passt zu unserer Zielsetzung? Welchen finanziellen Rahmen können und wollen wir verantworten? Und welche Synergien streben wir konkret an?
In jeder Phase des Kaufprozesses – von der Zielauswahl über die Bewertung und Due Diligence bis hin zur Integration – gilt: Transparenz, Struktur und Professionalität sind die Schlüssel zum Erfolg. Wer sich die nötige Zeit für Vorbereitung nimmt, strukturiert vorgeht und realistische Erwartungen formuliert, schafft Vertrauen auf Verkäuferseite – und legt zugleich die Grundlage für nachhaltiges Wachstum unter neuer Führung.
Gleichzeitig sollte man nicht unterschätzen, wie stark der Transaktionserfolg vom richtigen Partnernetzwerk abhängt. M&A-Berater, Finanzierungspartner, Steuer- und Rechtsberater sind keine Kostenfaktoren, sondern Erfolgsfaktoren. Sie helfen, Risiken zu erkennen, Chancen realistisch zu bewerten und Transaktionen effizient umzusetzen.
Kurzum: Der beste Deal ist der, der nicht nur auf dem Papier funktioniert – sondern in der Realität Mehrwert schafft. Mit der richtigen Vorbereitung, dem passenden Mindset und erfahrenen Partnern an der Seite kann der Unternehmenskauf im eCommerce zur echten Wachstumschance werden.
Wer den Verkaufsprozess strategisch angeht und sich eventuell sogar Unterstützung durch erfahrene M&A-Berater sichert, kann nicht nur einen guten Verkaufspreis erzielen, sondern auch sicherstellen, dass der Onlineshop unter neuer Führung erfolgreich weitergeführt wird.
Dragonflip ist darauf spezialisiert, E-Commerce- und Software-Unternehmen bei diesem Prozess zu begleiten. Von der ersten Bewertung bis zur erfolgreichen Transaktion stehen wir an Ihrer Seite und helfen, die beste Strategie zu entwickeln, den passenden Käufer zu finden und den maximalen Verkaufspreis zu erzielen.
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Häufig gestellte Fragen zum Verkaufsprozess von E-Commerce-Unternehmen
Wie lange dauert der Verkaufsprozess im Durchschnitt?
- Die Dauer des Verkaufsprozesses vom Kickoff bis zum Signing kann variieren, liegt aber im Durchschnitt zwischen 6 und 8 Monaten und hängt von verschiedenen Faktoren wie der Komplexität des Unternehmens und den Marktbedingungen ab.
Wie wird der Wert meines E-Commerce-Unternehmens ermittelt?
- Die Bewertung basiert auf einer Reihe von Faktoren, einschließlich der finanziellen Leistungsfähigkeit, der Marktposition, des Kundenstamms, des Wachstumspotenzials und der allgemeinen Wirtschaftslage.
Was kann ich tun, um den Verkaufsprozess zu beschleunigen?
- Gute Vorbereitung ist entscheidend. Stellen Sie sicher, dass alle Finanzunterlagen aktuell und korrekt sind und dass alle wichtigen Unternehmensinformationen leicht zugänglich sind.
Wie finden Sie potenzielle Käufer für mein Unternehmen?
- Wir nutzen eine Kombination aus unserem umfangreichen Netzwerk, gezielter Marktrecherche und unseren bestehenden Kontakten zu qualifizierten Investoren und strategischen Käufern.
Wie wird die Vertraulichkeit des Verkaufsprozesses gewährleistet?
- Wir stellen sicher, dass alle potenziellen Käufer Vertraulichkeitsvereinbarungen unterzeichnen, bevor sie Zugang zu detaillierten Informationen erhalten. Darüber hinaus werden Informationen schrittweise und nur bei Bedarf freigegeben.
Kann ich Unterstützung bei der Due Diligence erhalten?
- Ja, unser Team steht Ihnen während der gesamten Due-Diligence-Phase zur Verfügung, um alle erforderlichen Unterlagen bereitzustellen und Fragen des Käufers zu beantworten.